Gestaltung für Screenreader-Kompatiblität

[Dies ist eine Übersetzung des englischsprachigen Artikels „Designing for Screen Reader Compatibility„. Copyright © by www.Webaim.org]

Übersicht

Bildschirmlesegeräte sind Audio-Schnittstellen. Anstatt Webinhalte visuell für Nutzer in einem „Fenster“ oder auf dem Bildschirm des Monitors anzuzeigen, konvertieren Screenreader den Text in synthetisierte Sprache, so dass Benutzer den Inhalt hören. Sehende Nutzer haben es normalerweise sehr schwer sich vorzustellen, sich immer auf ein Audio-Interface verlassen zu müssen, da ihre Welt so sehr visuell ist. Die Erfahrung ist völlig anders, das ist sicher. Das Wunder ist, dass die Option für eine Audio-Schnittstelle überhaupt vorhanden ist. Ohne Screenreader wären die Personen, die blind sind, auf andere angewiesen, die ihnen den Inhalt laut vorlesen. Diese Technik macht einen unabhängigen Zugang zu Informationen für eine Bevölkerung möglich, die sonst immer die Unterstützung und Hilfe von Anderen benötigen würde.

Screenreader lesen Webinhalte nicht genauso wie menschliche Wesen es tun. Die Stimme kann sehr monoton und wie ein Roboter klingen. Darüber hinaus neigen erfahrene Nutzer meist dazu, die Lesegeschwindigkeit auf 300 Wörter pro Minute und mehr zu beschleunigen, was schneller ist, als ein unerfahrener Hörer noch leicht verstehen kann. In der Tat ist es so, dass, einige Menschen, die ein Screenreader zum ersten Mal mit der normalen Rate von etwa 180 Wörtern pro Minute benutzen, sich darüber beklagen, dass dieser zu schnell liest. Es braucht Zeit, sich an einen Screenreader zu gewöhnen, aber das interessante ist, dass wenn die Benutzer sich daran gewöhnt haben, können sie mit einer Geschwindigkeit durch den Inhalt fahren, die sehende Menschen begeistert.

Zwei der häufigsten Screenreader sind JAWS von Freedom Scientific und Window Eyes von GW Micro. Diese Programme können nicht nur Webinhalte, sondern auch das Windows Betriebssystem, Textverarbeitungsprogramme und andere Software lesen. Mac und iOS-Geräte haben VoiceOver. Es sind jedoch auch viele andere Arten von Bildschirmlesegeräten verfügbar.

Linearisierung des Inhalts

Audioschnittstellen präsentieren den Nutzern die Inhalte linear, also ein Element nach dem nächsten. Dies steht in Kontrast zu der Art und Weise, wie die meisten Nutzer visuelle Schnittstellen nutzen. Sehende Nutzer können den gesamten Bildschirm überfliegen und das gesamte Layout, den künstlerischen Stil und andere Aspekte auf der Makroebene fast sofort nachvollziehen. Nutzer von Bildschirmleseräten können die Aspekte der Makroebene nicht so schnell begreifen. Die lineare Progression durch den Inhalt von Anfang bis Ende ist ähnlich zu automatisierten Telefonmenü-Systemen, die nicht alle Optionen auf einmal erkennen lassen. Nutzer müssen in solchen Systemen in einer schrittweisen Art und Weise fortschreiten. Die Erkenntnis, dass Audio-Schnittstellen eine linearisierte Version von Web-Inhalten sind, ist eine wichtige Erkenntnis, die Webentwickler durch den Engineering und Design-Prozess leiten sollte.

Durch den Inhalt blättern

Trotz der linearen Natur der Audioschnittstellen, gibt es einige Möglichkeiten, wie Screenreader-Nutzer den Inhalt überfliegen können.

Überschriften

Ein anderer Weg, die Seite zu überfliegen, um einen Gesamteindruck zu bekommen, ist, von Überschrift zu Überschrift zu springen. Nutzer können eine Gliederung der Hauptideen der Seite hören und dann wieder an den Punkten ansetzen, die sie am meisten interessieren. Der größte Nachteil dieser Technik ist, dass auf zu vielen Seiten zu wenige Überschriften stehen. Ohne Überschriften ist diese Methode um den Inhalt einer Seite zu überfliegen völlig nutzlos.

Folge: Autoren sollten Inhalte mit Überschriften organisieren. Soweit möglich, sollten die Überschriften eine möglichst genaue Übersicht des Inhaltes sein.

Landmarks und Seitenbereiche

Benutzer können mit ARIA Landmarks und HTML5 Abschnittselementen wie, <main>, <nav>, <header>, etc. navigieren.

Folge: Definieren Sie angemessene ARIA Landmarks und nutzen Sie passende HTML5 Elemente.

Paragraphen und Seitenelemente

Nutzer können von Absatz zu Absatz springen, sich den ersten oder die ersten beiden Sätze anhören, bevor sie zum nächsten Absatz springen. Diese Technik ist mehr wie das visuelle Überfliegen, das einige sehende Menschen verwenden. Nutzer können auch von Element zu Element springen, wie <div>Tags, Links, Formularelementen, Listenelementen, oder andere Einheiten des Inhalts.

Folge: Formulieren Sie, wenn möglich, die grundlegenden Informationen des Paragraphs im ersten Satz.

Andere

Zusätzlich zu den oben genannten Methoden, können Nutzer von Bildschirmlesegeräten auch zu Tabellen, Listen, Buttons, Formularen, Links, Bildern, etc. navigieren.

Folge: Verwenden Sie eine korrekte Semantik der HTML-Struktur mit korrekt bezeichneten Elementen.

Unterschiede zwischen Bildschirmlesegeräten ausgleichen

Bildschirmlesegeräte sind in ihrer Funktionalität und in ihren Fähigkeiten sehr ähnlich, aber es gibt dennoch Unterschiede zwischen ihnen. Tastatur-Shortcuts haben in einem Bildschirmlesegerät nur sehr selten dieselbe Funktion, wie in einem anderen. Die Stimmen von verschiedenen Bildschirmlesegeräten klingen nicht genau gleich. Sie haben auch unterschiedliche Wege, den Nutzer über wichtige Informationen, wie welche Textstücke Links sind, welche Teile aus dem Inhalt Bilder sind und ähnliches zu informieren.

Eine berechtigte Frage an dieser Stelle ist, ob Designer sich über die Unterschiede zwischen den Bildschirmlesegeräten Gedanken machen sollten. Wenn der Inhalt für eine Marke von Bildschirmlesegeräten zugänglich ist, ist er es auch für andere Marken? Müssen Designer verschiedene Versionen des Inhalts anfertigen, um den unterschiedlichen Arten und Möglichkeiten diverser Bildschirmlesegeräten entgegenzukommen? Diese Fragen sind sowohl faszinierend wie auch besorgniserregend. Entwickler haben bereits dafür zu sorgen, dass ihre Inhalte in verschiedenen Versionen unterschiedlicher Browser auf verschiedenen Betriebssystemen korrekt angezeigt werden. Dies bereitet bereits genug Kopfschmerzen, ohne sich noch um die verschiedenen Versionen unterschiedlicher Bildschirmlesegeräte auf verschiedenen Plattformen zu sorgen.

Die gute Nachricht ist, dass die Techniken, die für einen Screenreader funktionieren, fast immer auch für andere funktionieren. In manchen Fällen hat einer der Screenreader Fähigkeiten, die ein anderer nicht hat, oder verarbeitet einige Arten von Inhalt besser, als es andere tun. Dennoch sind die Entwickler besser dran, wenn Sie sich auf die Standards zur Barrierefreiheit und allgemein anerkannten Techniken zur Zugänglichkeit konzentrieren, als wenn sie sich auf die Unterschiede von Bildschirmlesegeräten fokussieren. Sich auf die Unterschiede von Bildschirmlesegeräten zu konzentrieren, kann zu der unerwünschten Situation führen, dass Seiten für JAWS oder nur für Window Eyes programmiert sind, was Nutzer ausschließen kann, die Screenreader nutzen, für die die Seite nicht optimiert ist. Das ist so ähnlich wie Seiten für nur einen bestimmten Browser zu optimieren. Erst vor wenigen Jahren waren Seiten üblich, auf denen stand „diese Seite ist für den Internet Explorer optimiert“ (oder für Netscape). Glücklicherweise ist diese Praxis seltener geworden und mittlerweile allgemein verpöhnt. Sowohl Browser, wie auch Screenreader, haben in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit auf Standards gelegt, so dass die Benutzererfahrung ziemlich einheitlich ist, egal welche Technologie verwendet wird. Keine zwei Technologien sind die gleichen, was zu gelegentlichen Design-Kopfschmerzen führt, aber sie sind ähnlich genug, dass es weniger Ausnahmen zu den „Regeln“ gibt, als es einmal waren.

Wie Bildschirmlesegeräte Inhalte lesen

Dieser Abschnitt enthält eine Liste von Möglichkeiten, wie Screenreader Inhalte üblicherweise lesen und aussprechen. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Geräten, aber hier wird das allgemeine Verhalten dargestellt. Es ist keine vollständige Liste mit allen Mitteln, aber es wird Entwicklern helfen, Screenreader etwas besser zu verstehen.

  • Screenreader machen für Punkte, Semikolons, Kommas, Fragezeichen und Ausrufezeichen eine Pause.
  • Screenreader machen in der Regel am Ende eines Paragraphen eine Pause.
  • Screenreader versuchen Akronyme und unsinnige Wörter auszusprechen, wenn sie genug Vokale/Konsonanten haben; andernfalls lesen sie die Buchstaben vor. Zum Beispiel wird NASA als Wort vorgelesen, wohingegen NSF als „N.S.F.“ vorgelesen wird. Die Abkürzung URL wird als „earl“ vorgelesen, obwohl die meisten Menschen „U.R.L“ sagen. Die Abkürzung SQL wird nicht als „Sequel“ von Bildschirmlesegeräten vorgelesen, obwohl es einige Menschen gibt, die es so aussprechen; Screenreader lesen „S.Q.L“ vor.
  • Screenreader-Nutzer können Pausieren, wenn sie ein Wort nicht verstehen und zurückgehen, um es sich erneut anzuhören; sie können sogar Screenreader haben, die ihnen Buchstabe für Buchstabe vorlesen. Beim Vorlesen einzelner Buchstaben unterscheidet JAWS zwischen Groß- und Kleinschreibung, indem die Großbuchstaben betont werden.
  • Screenreader lesen die Buchstaben, die Sie eingeben laut vor, allerdings sagen sie „star“ oder „asterisk“ für Passwortfelder.
  • Screenreader kündigen den Titel der Seite (das <title>-Attribut im HTML-Markup) an, wenn sie eine Seite zum ersten Mal laden.
  • Screenreader lesen den alternativen Text für Bilder vor, sofern Alternativtext vorhanden ist. JAWS leitet den alternativen Text mit dem Wort „Grafik“ ein. Wenn das Bild ein Link ist, kündigt JAWS den alternativen Text mit „Grafik Link“ an.
  • Screenreader ignorieren Bilder ohne alternativen Text und sagen nichts, aber die Benutzer können ihre Einstellungen so ändern, dass der Dateiname vorgelesen wird.
  • Wenn das Bild ohne alternativen Text ein Link ist, lesen Screenreader normalerweise das Ziel des Links (das href-Attribut im HTML-Markup) vor, oder sie könnten den Dateinamen von dem Bild vorlesen.
  • Screenreader kündigen Überschriften an und identifizieren die Überschriftenebene. JAWS zum Beispiel kündigt <h1> -Überschriften mit „Überschrift Ebene 1“ an.
  • Einige Screenreader geben die Anzahl der Links auf einer Seite an, sobald die Seite im Browser fertig geladen ist.
  • JAWS sagt „Same Page Link“, wenn das Ziel des Links auf derselben Seite ist, wie der Link und sagt „Visited Link“, wenn auf einen Link bereits zugegriffen wurde.
  • Screenreader im Tabellennavigationsmodus informieren Nutzer, wie viele Zeilen und Spalte in einer Datentabelle sind.
  • Nutzer können in jede Richtung von Zelle zu Zelle im Tabellennavigationsmodus navigieren. Wenn die Tabelle korrekt markiert wurde, wird der Screenreader jede Spalten- und/oder jeder Zeilenüberschrift lesen, wenn der Nutzer eine neue Zelle erreicht.
  • Screenreader informieren Nutzer, wenn sie ein Formular erreicht haben. Nutzer haben dann die Möglichkeit, in den Formularnavigationsmodus zu wechseln.
  • Screenreader mit entsprechenden Spracheinstellungen können fließend die Sprache wechseln, wenn eine Seite, oder ein Teil einer Seite als anderssprachig markiert wurde. Zum Beispiel, wenn eine spanische Phrase in einer englischen Seite auftaucht, kann der Screenreader zu spanischer Aussprache wechseln, wenn die Phrase als spanische Phrase markiert wurde: <span lang="es">Viva la patria</span>
  • Die meisten Screenreader sprechen die Wörter in fast jedem Fall richtig aus, aber gelegentlich fehlinterpretieren sie den Unterschied zwischen Homographen (Wörter die gleich geschrieben werden, aber unterschiedliche Bedeutungen und/oder Aussprachen haben).
    Zum Beispiel das Wort read kann als „reed“ oder als „red“ ausgesprochen werden, abhängig von Kontext: „I must read the newspaper“ gegen „I have read the newspaper“. – Ein Satz wie „I read the newspaper every day“ ist eigentlich eindeutig für alle Leser – Menschen sowie Screenreader. Es könnte bedeuten, dass der Verfasser die Zeitung jeden Tag liest, oder dass der Verfasser die Zeitung jeden Tag gelesen hat. Je nachdem, was der Verfasser sagen wollte, kann das Wort „read“ als „reed“ oder „red“ ausgesprochen werden. Das Wort „content“ ist ein weiteres Beispiel: „I feel content“ (was bedeutet, glücklich zu sein, mit der Betonung auf der zweiten Silbe [con-TENT]) gegen „Skip to main content“ (gemeint ist die Materie, mit Betonung auf der ersten Silbe [CON-tent]).
  • Screenreader lesen die meisten Satzzeichen, wie Klammer, Gedankenstriche, Sternchen und so weiter standardmäßig mit, aber nicht alle Screenreader entscheiden, dieselben Teile der Satzzeichen zu lesen. Einige lesen beispielsweise Sternchen nicht standardmäßig mit. Punkte, Kommas und Doppelpunkte werden normalerweise nicht laut vorgelesen, aber Screenreader machen in der Regel nach jedem eine Pause. Nutzer können die Ausführlichkeit in ihren Einstellungen verändern, damit die Screenreader mehr oder weniger Satzzeichen vorlesen.
Hinweis

Die Testversionen von JAWS und Window Eyes halten fast unbegrenzt, können aber nur für eine Zeit von 40 Minuten verwendet werden. Nach jeder 40 Minuten-Sitzung muss der Nutzer den Computer neu starten, um eine weitere 40 Minuten-Sitzung zu starten.

JAWS: Informationen und Testversion herunterladen

Window Eyes: Informationen | Window Eyes: Testversion herunterladen

Wichtig

Die erste Verwendung von einem Screenreader kann eine verwirrende und entmutigende Erfahrung sein. Ein Audio-Interface zu benutzen ist fast immer ein wenig verwirrend für sehende Nutzer. Zusätzlich kann ein Großteil der Inhalte auf einer Webseite unzugänglich erscheinen, wobei das Problem einfach nur sein kann, dass der neue Nutzer nicht weiß, wie er einen Screenreader benutzen muss. Entwickler, die ernsthaft wissen wollen, wie ihre Inhalte sich auf einem Screenreader anhören, müssen entweder eng mit Menschen zusammenarbeiten, die Screenreader auf einer regulären Basis verwenden, oder sie müssen einen Teil ihrer Zeit dafür widmen, den Umgang mit Bildschirmlesegeräten zu erlernen.